Die berühmte Rinderstampede von Limavady

Ein Augenzeugenbericht


Ich schildere hier ein Abenteuer, das bis jetzt noch nicht in die Annalen der langen und lobenswerten Geschichte der Stadt Limavady eingetragen worden ist.

Es begann mit einem Spaziergang im Country Park, jenem wohlbekannten Hafen der Ruhe für Rentner, Angler, schulschwänzende Studenten, schlafende Polizeibeamten und mindestens einen überarbeiteten Lehrer. Normalerweise ist dieses Fleckchen Erde ein ungefährliches Paradies, so lange man es nicht des Nachts besucht.

Im Laufe anderer Wanderungen hatte ich die Höhe des Grases bewundert und mir gedacht dass all dieses Grün eigentlich für einige wiederkäuende Kunden fertig war. Das muss sich auch der hiesige Bauer - netter Kerl, quasselt gerne - gesagt haben, denn als ich den Parkplatz verließ und den Weg hinunterschlenderte bemerkte ich so ungefähr zwanzig junge Stiere, die im langen Gras lagen. Tudor, der Border Collie, zeigte das sofortiges Interesse, für das seine Rasse ja weltweit berühmt ist, indem er sofort in seinen "Bordercolliegang" schaltete. Er bewegte sich mit dem Bauch fast am Boden, Ohren gespitzt, Nase schnurgerade aufs Ziel gerichtet und tat so, als ob kein anderes Lebewesen auf der Welt ihn wahrnehmen könne. Die Stiere waren auch sogleich voller Tatenmut: sie wachten und standen auf, getrieben von Rinderneugier und einer rätselnden Vorahnung.

Um das Folgende zu genießen, muss man die Lage des in Frage kommenden Feldes verstehen. Wenn man vom Parkplatz herunterkommt, ist es das erste Feld links - es folgt dem Bogen der Roe und ist nicht groß. Eine schöne Eiche steht am fernen Ufer des Flusses.

Ein halb hölzernes, halb stacheldrahtiges Beispiel irischer Erfindungskunst zäumt es ein und es hat einen trichterförmigen Auslauf auf einer Seite; ungefähr so:

Grundplan der Wiese.
Als Tudor und ich uns näherten, zeigten die Stierchen ein großes Interesse an dem alten Hund - der ein geborener Rustler wäre, wenn ich in nur lassen würde. Wir kamen näher und mir wurde plötzlich klar, dass die Tiere zum ersten Mal im Freien waren, sie waren nicht nur nervös sondern hatten auch eine fürchterliche Angst.

Plötzlich versuchte Tudor sie auf Border Collie Art zu umzingeln, aber es gelang ihm nicht, da er noch immer an der Leine war; seine Begeisterung verrenkte mir beinahe die Schulter. Unglücklicherweise wussten die Rinder nicht, dass sie sicher waren, denn alle Zwanzig rasten mit der Geschwindigkeit von zehntausend Gazellen in die Ferne - in die gleiche, leider falsche Richtung. In meinem Gehirn brüllte eine John-Wayne-artige Stimme:

stampede

Der Duke hatte recht. Die armen Tieren hatten in ihren kurzen Leben noch niemals einen zahmen Border Collie gesehen und sie rasten wie die Wilden genau in den Trichter am Ende der Wiese. Der erste Stier erreichte den Zaun und ich dachte: "Was wird die Herde aufhalten?". Es gab eine sofortige Antwort: Nichts. Die Hinteren konnten nicht sehen was die Vorderen taten, und die Vorderen dachten an nichts als eine schnelle Flucht, das ganze dumme Getümmel rannte einfach geradeaus durch den Zaun, Stacheldraht, Holz und was noch.

Einige der Stiere brüllten, andere stolperten, fielen um und lagen auf der Erde mit allen vier Läufen in der Luft während ihre Artgenossen voll Furcht und mit lautem Brüllen über sie sprangen.

Es war fabelhaft! Die galoppierenden Hufe klangen gerade so wie im Film, zwanzig Schwänze waren hochgestreckt, Geisterreiter riefen vom Himmel herab und die Welt war voll von Dünger. Der starke Zaun brach mit einem unvergesslichen Geräusch des splitternden Holzes. Ich schrie den Hund an, der Hund bellte vor Aufregung, das Vieh muhte, die Geisterreiter jodelten, John Wayne fluchte - es war wundervoll. Ich beobachtete mit Freuden wie meine Long Horns furchterfüllt und in auf- ebenso wie durchfälliger Weise den Pfad hinunterrasten und im Wald und dessen friedlicher Stille verschwanden.

Meine über fünfzig Lebensjahre hatten mich auf diese - meine allererste Stampede - nicht vorbereitet. Innerhalb von zehn Sekunden war alles vorbei. Die Tiere standen, von mir nicht sichtbar, in der Senkung am unteren Pfad und ich hatte noch nicht einmal an die Folgen gedacht. Was hätte geschehen können, wenn eine kleine alte Dame gerade mit ihrem Hündchen auf dem Pfad gewesen wäre, als die Rinder entlang gerasselt kamen? Glücklicherweise war es früh morgens und - abgesehen von Tudor - war ich jetzt das einzige Lebewesen weit und breit.

Ich dachte mir: "Was ist zu tun?" Diese einfältige Frage konnte nicht leicht beantwortet werden. Der Zaun war zerbrochen,

Der zerbrochene Zaun

die Rinder waren verschwunden und meine herrliche Stampede war vorbei. Da ich die Rinder nicht wieder mit meinem Lasso einfangen konnte, ging ich zum Parkbeamten und erklärte ihm was geschehen war - bestens illustriert mit dem unteren Bild, das den Titel: "Jochen, der gnadenlose Cattle Rustler - ein gefährlicher Schurke von Limavady." trägt.

Die berühmte Stampede

Danny sah sich was vom Zaun übrig geblieben war an, machte einige jubelnde Geräusche der Überraschung und sagte dem Bauern telefonisch Bescheid. Was er ihm so genau erzählte, weiß ich nicht, aber um die Mittagszeit waren alle Tiere wieder beisammen - dieses Mal im größeren Feld auf der rechten Seite des Weges. Sie verschwanden im Hintergrund so bald sie mich sahen.

Meg spazierte mit den Hund am Abend und als sie die untere Kurve des Pfades erreichte, sah sie dass die Gegend knietief mit einer Substanz bedeckt war, die man nur als Naturdünger bezeichnen kann. Die Rinder müssen den Ort sehr erleichtert verlassen haben.

Zukünftig werde ich die neuen Gäste im Country Park mit großem Respekt behandeln. Man stelle sich nur ein anderes Auskommen vor - und die dazu gehörenden Schlagzeilen:

"Grausame alte Dame zerfleischt wertvolle Stiere"

Ich mag gar nicht daran denken.


Zurück zum Anfang
Zwei Tudors